Premiere Madama Butterfly von G. Puccini an der Oper Leipzig
Dieter David Scholz, MDR Figaro
Frage 3: Ist es auch musikalisch so bewegend?
Allerdings! Anthony Bramall, der ja ein sehr analytischer Dirigent ist, hat der Oper alle falsche
Süßlichkeit ausgetrieben, hat alles Klischeehafte außenvorgelassen. Er läßt Puccini glasklar,
absolut transparent musizieren. Selten hört man das Werk so straff, so spannend, so strukturell,
um nicht zu sagen „modern“ mit allen Vorgriffen auf „Turandot“. Das Gewandhausorchester folgt
Bramall mit großer Präzision und Klangsinnlichkeit. Und bei allen Bemühen um Sachlichkeit läßt es
Bramall doch auch nicht an Mut mangeln, die mitreißende Emotionalität der Musik zuzulassen, aber
eben ohne in Sentimentalität zu ertrinken. Es ist kontrollierte Extase, der man beiwohnt.
Ein großer Abend, auch musikalisch.
Premiere Madama Butterfly von G. Puccini an der Oper Leipzig
Peter Korfmacher, Leipziger Volkszeitung 16.03.2015
Anthony Bramall räumt am Pult des Gewandhausorchesters um Konzertmeister Frank-Michael Erben
gründlich auf mit dem Klischee vom Rührstück, das vor allem die Taschentücher des Publikums
ins Auge fasst .... Bramall leuchtet mit präzise forderndem Schlag tief hinein in die einzigartige
Partitur, treibt ihr die Sentimentalitäten aus, gibt den Kitsch keine Chance - und bleibt
dennoch der Emotion verpflichtet und der Schönheit. Vor dem Hintergrund dieser
skrupulös-disziplinierten Musizierhaltung entfalten selbst die heikelsten Momente, der
Summchor am Ende des zweiten, das Vogelzwitschern zu Beginn des dritten Aktes, ihren Zauber ohne Reue.
Beethovens IX. Sinfonie mit der Staatskapelle Halle
Martin Schöler, Leipziger Internetzeitung
Anthony Bramall ist kulturbeflissenen Leipzigern vornehmlich in seiner Funktion als
stellvertretender Generalmusikdirektor der Oper Leipzig bekannt. Am Mittwoch leitete
der Brite das Silvesterkonzert der Staatskapelle Halle. Auf dem Programm stand Beethovens 9. Sinfonie.
Anthony Bramall experimentiert nicht, sondern fasst das Werk beinahe mit Samthandschuhen an.
62 Minuten Spielzeit klingen nach forschem Tempo. Doch anders als Riccardo Chailly im Gewandhaus
drückt der Opern-Kapellmeister zuallererst in den ersten beiden Sätzen auf die Tube, schaltet
aber in ausdrucksvollen Schlusssatz einen Gang runter ... So muss Beethoven sein.
Kaum ist der letzte Ton verklungen, setzt bebender Applaus ein.
Faust beim Gastspiel am Teatro comunale di Bolzano
Emilia Campagna, L’Adige 23.01.2015
In buca, Orchestra Haydn galvanizzata dalla direzione di Anthony Bramall, gesto ampio e ricchezza di
dettagli a rendere una partitura dall'imponente effetto e dai colori sgargianti. (Im Graben spielte
wie elektrisiert das Haydn Orchester unter der Leitung von Anthony Bramall, der mit großzügiger
Gesten, die Partitur eindrucksvoll in detailreichen Farben zu gestalten wusste.)
Premiere Faust von Ch. Gounod an der Oper Leipzig
Peter Korfmacher, Leipziger Volkszeitung 13.10.2014
Als sänge die zerstörte Seele selbst - Faust in der Oper Leipzig
... all das, was aus dem Graben tönt (ist) von erlesener Eleganz. Gounod war ein Meister
darin, seine rein harmonisch empfundene Scheinpolyphonie in betörenden Mischklänge unter
die Melodie zu gießen. Und Bramall ist ein Meister darin solche Musik mit Leben zu erfüllen
und dabei die Sänger auf Händen zu tragen. Ungekünstelt und beherrscht, fein ausbalanciert
und klangschön musiziert das fabelhafte Gewandhausorchester um Henrik Hochschild ...
Premiere Faust von Ch. Gounod an der Oper Leipzig
Andreas H. Hölscher, Opernnetz.de
Das Gewandhausorchester unter der Leitung von Anthony Bramall ist an diesem Abend bestens
disponiert. Es wird mit großer Leidenschaft musiziert, Bramall trägt die Sänger mit
unprätentiösem Dirigat und lässt so den Klangkörper aus Orchester, Chor und Sängerensemble
zu einer musikalischen Einheit werden. Die romantischen Momente Gounods werden sauber
herausgearbeitet, und der Wechsel zur Dramatik folgt ohne Brüche.
Messa da Requiem von G. Verdi mit dem Gewandhausorchester
Peter Korfmacher Leipziger Volkszeitung vom 30.06.2014
Anthony Bramall hat dieses vertörend schlichte Ende immer fest vor Augen, denkt
bei seiner Aufführung am gestrigen Nachmittag das Werk vom Ende her, lässt weder bei den gewaltigen
Tag-des-Zorns-Tableaus noch am Tag der Tränen Umwege zu, meidet hier alles
Plakative und dort den leisesten Hang von Sentimentalität. Keine Frage: der stellvertretende Chefdirigent
der Oper Leipzig hat seinen Toscanini gut gelernt. Denn sein
Vorwärtsdrang geht nicht zu Lasten der emotionalen Kraft der Musik, er bringt, ganz im Gegenteil,
ihre zutiefst menschliche Schönheit aus sich selbst heraus zum Leuchten.
Messa da Requiem von G. Verdi mit dem Gewandhausorchester
Andreas H. Hölzer, Opernnetz.de
Dirigent Anthony Bramall gestaltet Verdis gefühlsmächtige Totenmusik nicht als sentimentales Totengedenken, sondern mit einem musikdramatischen Spannungsbogen als erschütterndes Seelendrama vom Aufbegehren gegen Schmerz und Leiden, gegen Sterben und Tod, aber auch voller Hoffnung auf Erlösung und Auferstehung. Wirkt das Dies Irae wie Schlachtengetümmel, dann ist Bramall der Feldherr, der seine Truppen zielgerichtet und präzise durch den Sturm leitet, um sie sicher nach Hause zu bringen. Basis für diesen emotionalen Eindruck ist die grandiose musikalische Leistung des Leipziger Gewandhausorchesters, das leidenschaftlich und empfindungsvoll, aber dennoch präzise und transparent musiziert. Bramall kann die verhaltene Einleitung zum Requiem ganz aus der Stille heraus entwickeln. Und mit den ersten Textworten des Chores, gedämpft geflüstert, beschwört er eine enorme musikalische Spannung herauf, die den Zuhörer bannt und bis zum Schluss in Atem hält. Die Dramatik seiner Interpretation zieht er ganz aus der Möglichkeiten des Klanges, den er in tobendem Fortissimo ebenso auslotet wie in leiser Empfindsamkeit.
Auf das letzte flehende Libera me folgen fast zehn Sekunden Stille, ehe sich die Spannung in erlösenden und jubelnden Applaus verwandelt.